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Großgruppen-Moderation mit angetrunkenen Mitarbeitern

 

two bottles of alcohol and two glasses at a bar

In einer meiner beruflichen Aufgaben wurde ich beauftragt, eine Großveranstaltung für den gesamten Standort zu planen und durchzuführen. Diese Veranstaltung sollte etwa 35 Mitarbeiter sowie Führungskräfte umfassen. Da der Standort noch im Aufbau war, war es nicht nur das Ziel, alle Mitarbeiter einmal zusammenzubringen, sondern auch die Standortentwicklung vorzustellen. Hierbei sollte ein Rückblick auf bereits Erreichtes erfolgen sowie ein Ausblick auf die weitere Entwicklung hinsichtlich Mitarbeiterzahl, weitere Inbetriebnahmen, neue Aufgaben und Produkte, die dort hergestellt werden sollten. Zusätzlich sollte die Unternehmenskultur vermittelt und gemeinsam anhand konkreter Beispiele erarbeitet werden.

 

Diese Aufgabe war sehr ansprechend, stellte mich jedoch vor einige Herausforderungen. Ich begann also mit der Planung, was die Konzeption einer Veranstaltung über 2,5 Tage sowie die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten einschloss. Ich organisierte zwei Co-Moderatoren aus meinem HR-Team, plante ein Krimi-Dinner als Team-Event und freute mich insgesamt sehr auf die Veranstaltung.

 

Wir fuhren mit einem Reisebus zu einem Hotel, das etwa 150 km entfernt lag, und begannen mit dem ersten halben Tag der Veranstaltung. Abends saßen schließlich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Bar und genossen die Zeit. Da die Firma alle Kosten übernahm und die Unternehmenskultur eine hohe Eigenverantwortung der Mitarbeiter vorsah, gab es keine Regeln zum Thema Alkoholkonsum.

 




Im Laufe des Abends zogen sich die Führungskräfte zurück, auch ich verließ die Bar, um den Mitarbeitern einen ungestörten Austausch zu ermöglichen. Es kam jedoch zu einem unerwarteten Vorfall: Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, fehlten zwei Mitarbeiter, die verschlafen hatten. Zusätzlich lag ein Geruch von Alkohol im Raum, der keine Fragen zum Verlauf des Abends offenließ. Einige Mitarbeiter hatten offensichtlich Schwierigkeiten, dem Geschehen zu folgen, und verließen den Raum häufig, wobei ihre kalkweiße Gesichtsfarbe den Verdacht nahelegte, dass sie sich übergeben mussten.

 

Als Leiterin der Veranstaltung stand ich vor einer nicht arbeitsfähigen und teilweise noch alkoholisierten Belegschaft. Interessanterweise reagierten die anwesenden Führungskräfte zunächst gar nicht. Während eine meiner Co-Moderatorinnen das Zepter übernahm, sprach ich mit den beiden obersten Führungskräften, um die Situation zu besprechen. Sie waren ebenfalls ratlos darüber, wie zu reagieren sei.

 

Ich schlug vor, die Veranstaltung zu unterbrechen und das Thema anzusprechen, da offensichtlich eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen bestand. Eine solche Teamveranstaltung ist auch Arbeitszeit, und die Arbeitsfähigkeit muss gewährleistet sein. Zudem war dies offensichtlich eine Fehlinterpretation der Unternehmenskultur.

 

Ich erwartete, dass die Auftraggeber, also die beiden Führungskräfte, vor der Gruppe sprechen würden. Doch stattdessen übertrugen sie mir als Moderatorin diese Aufgabe.

 

Da stand ich also, vor der Gruppe, und musste sie zur Verantwortung ziehen. Meine Aufregung war spürbar, meine Stimme zitterte, als ich eine sehr persönliche Ansprache hielt. Ich betonte zunächst, wie viel Mühe ich mir mit der Planung der Veranstaltung gegeben hatte und wie enttäuscht und verletzt es mich machte, wenn dies nicht entsprechend gewürdigt wurde. Des Weiteren wies ich darauf hin, dass wir uns während der Arbeitszeit befanden und dass eine falsche Interpretation der Unternehmenskultur vorlag.

 

Die Gruppe reagierte überrascht, dass ich den Mut fasste, das Problem direkt und vor allen anzusprechen. Zwar gab es anfangs einige Einwände, doch insgesamt äußerten die meisten Verständnis.

 

Der weitere Verlauf der Veranstaltung verlief dann ohne größere Zwischenfälle. Ich war mir bewusst, dass in anderen Unternehmen disziplinarische Maßnahmen ergriffen worden wären, aber zu diesem Zeitpunkt entsprach dies nicht unserer Kultur. Immerhin entschuldigten sich die betroffenen Mitarbeiter später sowohl bei ihren Führungskräften als auch bei mir.

 

Dieses Team-Event hat sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt. Die Herausforderung, offenes Fehlverhalten vor der gesamten Gruppe anzusprechen, war enorm. Mein Ziel dabei war es, eine Wiederholung zu verhindern, besonders da wir noch eine weitere Nacht vor uns hatten. Ob ich heute wieder genauso entscheiden würde, weiß ich nicht.

 

Jahre später erhielt ich von unbeteiligten Mitarbeitern aus der Gruppe Anerkennung dafür, wie ich die Situation gemeistert hatte. Doch noch einmal möchte ich mich nicht in einer solchen Situation wiederfinden.

 

Wie hättet ihr reagiert?

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